Die Künstlerin Anna Artaker hat vor kurzem ihre 500 Quadratmeter große Arbeit für die Universitätsbibliothek Graz fertig gestellt – am Montag, 14. September, wurde sie feierlich eröffnet. PERSPECTIVA PRACTICA heißt das herausragende Kunst & Bau-Projekt, das in alter Sgraffito-Technik hergestellt wurde und nun der Öffentlichkeit übergeben wird.
Im Wintersemester 2019 konnte die modernste Bibliothek Österreichs in Betrieb genommen werden. Mit der Fertigstellung des Kunstprojekts von Anna Artaker ist die neue Universitätsbibliothek nun komplett. Mit ihrer Arbeit schafft es die Künstlerin auf eindrucksvolle Art und Weise, die Themen Wissenschaft, Architektur und Kunst zu verbinden und den überdachten Eingangsbereich zur Bibliothek perspektivisch zu erweitern. Die Untersicht des Dachaufbaus wird damit zum überdimensionalen Bildträger im öffentlichen Raum. PERSPECTIVA PRACTICA wurde aus einem Wettbewerb der BIG ART, der Kunstinitiative der Bundesimmobiliengesellschaft, ermittelt und ist Teil der umfassenden Modernisierung der Bibliothek der Universität Graz.
Hans-Peter Weiss, CEO der Bundesimmobiliengesellschaft: "Seit 15 Jahren bringt die Bundesimmobiliengesellschaft unter dem Titel BIG ART Kunst in den öffentlichen Raum. Wir haben vor allem mit unseren Bildungsbauten die Möglichkeit, Kunst in der Mitte der Gesellschaft stattfinden zu lassen. Orte wie Universitäten und Schulen sind prädestiniert dafür, Phantasie und Inspiration in den Alltag zu bringen und ein waches Bewusstsein für unsere Umgebung zu formen. Ich freue mich, dass jetzt zu Semesterbeginn mit der Arbeit von Anna Artaker das erste BIG ART Projekt an der Universität Graz eröffnet wird."
Peter Riedler, Vizerektor für Finanzen, Personal und Standortentwicklung, Universität Graz: „Nach der Eröffnung der Universitätsbibliothek vor ungefähr einem Jahr, freue ich mich, dass wir nun mit der Enthüllung des BIG ART- Projektes von Anna Artaker das Bauwerk nunmehr vollendet ist. Der damit gestaltete Bereich vor der Bibliothek lädt dazu ein, sich dem Thema Buch und der Geschichte der Universität zu widmen.“
Zur Arbeit PERSPECTIVA PRACTICA von Anna Artaker
In ihrer flächenmäßig bisher größten Arbeit PERSPECTIVA PRACTICA überträgt Anna Artaker einen Kupferstich aus der Renaissance zweihundertzwanzigfach vergrößert auf die 500 Quadratmeter große Fläche des aufsehenerregenden Neubaus, modernisiert ihn damit und schafft eine Verbindung zwischen jahrhundertealtem Buchwissen und den modernen Anforderungen an einen Bibliotheksbetrieb. Ausgangspunkt und Vorlage für ihre Arbeit ist eine Illustration aus dem Lehrbuch des französischen Renaissance-Gelehrten Jean Du Breuil von 1642 mit dem Titel PERSPECTIVA PRACTICA. Damit verweist Artaker auf den Wissensstand zur Zeit der Gründung der Universität Graz 1585. In ihrer künstlerischen Forschung befasst sie sich schon seit Langem mit Bildproduktion im Kontext von Geschichtsschreibung und -vermittlung. Nun ist das fast 500 m² große Sgraffito, die Übertragung einer historischen Buchillustration zum perspektivischen Zeichnen in überlebensgroßer Dimension auf die Untersicht der Bibliothek angebracht worden.
"Ich freue mich, mit meiner Arbeit zur gelungenen Erweiterung der Universitätsbibliothek auf dem Campus der Universität Graz beizutragen. Das Motiv stammt aus einem Lehrbuch zur praktischen Anwendung der Zentralperspektive. Es zeigt sechs Personen um eine Lichtquelle in einem zentralperspektivisch dargestellten Raum. Licht und Perspektive sind auch Metaphern, die häufig in Zusammenhang mit Wissensaneignung und Wissenschaft verwendet werden: Wissen eröffnet uns 'neue Perspektiven' auf die Welt, die uns umgibt. Die von der Entwicklung der Naturwissenschaften geprägte Zeit der Aufklärung – aus der die Vorlage stammt – wird oft direkt mit Licht in Verbindung gebracht. So schafft die perspektivische Darstellung die Illusion eines zusätzlichen Raums und weckt Assoziationen zum universitären Leben auf dem Campus", so Anna Artaker zu ihrem fertig gestellten Kunst & Bau-Projekt.
Aufwändige Renaissance-Technik für zeitgenössische Kunst
Die ins Gigantische vergrößerte und in den Putz eingekratzte Zeichnung erzeugt durch die Perspektive eine starke tiefenräumliche Wirkung – eine Art Kuppel. Das Motiv wird von Buchdimension auf architektonische Dimensionen vergrößert und in aufwändiger Sgraffito-Technik auf die Untersicht des auskragenden Neubauteils übertragen. Die Technik des Sgraffito wurde in der italienischen Renaissance perfektioniert und verstärkt als Strukturtechnik die Dreidimensionalität des Motivs. Über eine dunkel eingefärbte Putzschicht wird eine hellere Deckschicht aufgetragen, in diese wird das Motiv eingekratzt und der dunklere Putz dadurch sichtbar. Dadurch entsteht der Eindruck von Räumlichkeit. Die Entscheidung der Künstlerin für die Sgraffito-Technik ist auch eine Referenz an die Technik des Kupferstichs, bei der das Motiv ebenfalls in die Druckplatte eingekratzt wird.
Die große Fläche, die bearbeitet wurde, stellte eine besondere Herausforderung für die Arbeit mit Sgraffito-Technik dar. Der Putz musste Stück für Stück aufgetragen und als Tagwerk im noch feuchten Zustand gleich im Anschluss gekratzt werden. An der Umsetzung arbeiteten gleichzeitig jeweils drei bis vier Personen über mehrere Wochen hindurch.